Basels Museumslandschaft zeichnet sich nicht nur durch hochkarätige Ausstellungen und Sammlungen aus, sondern sorgt mit originellen Bistros und Cafés auch für die Muße, um die visuellen Eindrücke zu verarbeiten.

© Volker Mehnert Nostalgiker willkommen: Hübsch plüschig gibt sich das Café des Arts in der Nähe des Museums der Geschichte.

 

Der italienische Architekt Renzo Piano, eine Koryphäe spektakulärer Museumsbauten, hat mit der Fondation Beyeler weit mehr als nur ein Ausstellungsgebäude errichtet. Die großen Panoramafenster sollen die Kunst mit der Natur in Einklang bringen – durch wiederkehrende Ausblicke an den Gemälden von Cézanne, Matisse und Picasso vorbei auf den angrenzenden Park, in dem zwei abstrakte Skulpturen von Alexander Calder und Ellsworth Kelly plaziert sind, sowie auf die Obstwiesen und Weinberge des Baseler Vororts Riehen. Unmittelbar neben einer Fensterfront hängt jetzt eines von Monets monumentalen Seerosenbildern; nur getrennt durch die Scheibe korrespondiert es kongenial mit einem Seerosenteich vor dem Gebäude.

Das ebenerdige Bauwerk öffnet sich aber nicht nur durch die Fensterfronten hin zur Natur. Auch das doppelschichtige gläserne Dach, das wie ein fliegender Teppich über dem Bau schwebt, fängt das Tageslicht ein, macht es mild und weich und sorgt dafür, dass schon kleine Nuancen der Sonneneinstrahlung die Wirkung der Kunstwerke verändern. Um den Fokus zwischendurch von der Ausstellung abzulenken, hat Renzo Piano außerdem eine Galerie mit bequemen Sitzmöbeln installiert, die den Blick vollends in die Natur dirigiert. „Dieses Museum“, so sein Konzept, „sucht einen Ausgleich zwischen dem Kunsterlebnis, das sehr stark und mitreißend ist, und der Notwendigkeit, im Laufe des Besuchs Momente der Ruhe und der Stille zu genießen, um die Eindrücke zu verarbeiten.“

Der Küchenchef kocht Künstlers Lieblingsgerichte

Nicht jedes Museum befindet sich in einer derart privilegierten Umgebung und kann sich eine so verschwenderische Raumaufteilung leisten. Für das Ausruhen zwischendurch sollen deshalb Museumscafés und Museumsbistros sorgen. Aber oft handelt es sich dabei bloß um Stiefkinder der Kunst, verbannt ins Untergeschoss oder mit kärglichem Mobiliar ausgestattet. In Basel dagegen schmückt sich die Museumslandschaft mit einer erlebenswerten Gastronomie, und zwar vielfach in Räumen, die als eigenständige Ausstellungssäle gelten können. Im besten Fall halten sie genügend Abstand und verfügen dennoch über eine Nähe zur Kunst, so dass die Gedanken zwar abschweifen, aber auch immer wieder zum Thema zurückkehren können.

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© Volker Mehnert Vergrößern „Chez Jeannot“ ist unverkennbar das Café im Museum Tinguely, dem Künstler mit den filigranen mechanischen Installationen.

Das gilt auch für die Fondation Beyeler, die trotz der Ruhezonen im Museum selbst nicht auf ein gesondertes Plätzchen der Entspannung verzichten mag. Auf der Terrasse des Museumsbistros Villa Berower Park eröffnet sich dem Gast im Rahmen von Renzo Pianos Konzept des offenen Museums eine spiegelbildliche Perspektive: Man schaut von der gegenüberliegenden Seite in das Parkgelände hinein, in einem anderen Blickwinkel auf die Plastiken von Calder und Kelly und dahinter auf die lichte Fassade des Museumsgebäudes. Außerdem kann man sich hier kulinarisch in die jeweils aktuelle Ausstellung zurückversetzen. Denn das Restaurant gestaltet seine Speisekarte kunstgerecht kreativ. So gab es während einer Gauguin-Retrospektive polynesische Gerichte, und zur russischen Avantgarde servierte man Spezialitäten aus Osteuropa. Lebende Künstler fragt der Küchenchef gern nach ihrer Lieblingsspeise, und so hat er zum Beispiel eine Ausstellung von Gerhard Richter mit Pellkartoffeln und Quark begleitet.

Ein Ensemble zeitgenössischer Baukunst

Eine extravagante Form der Entspannung von der Kunst, ohne den Spannungsbogen zu sehr abzuschwächen, ist der im Frühjahr eröffnete Rehberger-Weg, der zwei Länder, zwei Städte und zwei weltberühmte Museen verbindet: fünf Kilometer grenzüberschreitend durch Wiesen und Weinberge, von der Fondation Beyeler zum Vitra Design Museum in Weil am Rhein. Der Clou sind vierundzwanzig Kunstwerke und farbenfrohe Installationen, die der deutsche Künstler Tobias Rehberger entlang der Route verteilt hat und die dem Wanderer die Richtung weisen. Zwei bunte Glocken an den Endpunkten des Weges, eine Wandmalerei, ein Bodengemälde, lustige Vogelkäfige, eine Wetterfahne, auch nützliche Geräte wie ein Mülleimer und ein Fernrohr sowie andere Überraschungen machen den anderthalbstündigen Spaziergang zu einem Kunsterlebnis in der Natur, zu einer Naturbegegnung zwischen Wegmarken der Kreativität.

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© Volker Mehnert Vergrößern Das Restaurant Rollerhof im Museum der Kulturen, irgendwo zwischen Münsterplatz und den Zivilisationen der weiten Welt.

Diese inspirierende Tour lässt sich anschließend fortsetzen mit einer zweistündigen Führung durch den Architekturpark hinter dem Vitra Design Museum, in dem zahlreiche renommierte Architekten mit avantgardistischen Bauwerken ein einzigartiges Ensemble zeitgenössischer Baukunst geschaffen haben. Das Museumsgebäude selbst stammt von Frank Gehry, Ende der achtziger Jahre sein erstes Bauwerk in Europa, das den Stilbegriff des Dekonstruktivismus mitprägte. Herausragend sind außerdem der Konferenzpavillon von Tadao Ando, das Feuerwehrhaus von Zaha Hadid, die Tankstelle von Jean Prouvé, die Produktionshalle mit einer beweglichen Brücke von Álvaro Siza und das verschachtelte VitraHaus der Baseler Architektengruppe Herzog & de Meuron, in dem auch das Museumscafé mit seinen zahlreichen Design-Elementen untergebracht ist. Mit einem Imbiss versorgen kann man sich außerdem vor dem Gebäude an einem silbernen Wohnwagen vom Typ Airstream Globetrotter, einer Design-Ikone aus den sechziger Jahren, die zum Kiosk umfunktioniert ist.

Die erste öffentliche Kunstsammlung der Welt

Wegen der mehr als vierzig Museen und der Parade zeitgenössischer Bauwerke darf sich Basel zu Recht als Kunst-, Kultur- und Architekturkapitale der Schweiz bezeichnen. Das hat Tradition, denn das kulturelle Engagement der Stadt und ihrer Patrizier reicht schon Jahrhunderte zurück. 1671 entstand hier die erste öffentliche Kunstsammlung der Welt, nachdem die Ratsherren die private Kollektion des Baseler Bürgers Basilius Amerbach erworben hatten, um deren Verkauf nach Holland zu verhindern. Diese Werke waren die Keimzelle des Baseler Kunstmuseums, und weil es mit weltoffenen Ankäufen jeweils aktueller Kunstrichtungen und hochkarätigen Schenkungen stetig voranging, besitzt das Museum inzwischen eine der großartigsten Sammlungen in Europa. Sie reicht vom fünfzehnten Jahrhundert bis in die Gegenwart und wird, anders als in vielen ähnlichen traditionellen Museen, durch den Erwerb zeitgenössischer Kunst beständig erweitert.

Um diesen Teil der Sammlung großzügiger und auf neue Art und Weise zugänglich zu machen sowie großen Sonderausstellungen noch mehr Raum zu geben, wurde im April ein imposanter Erweiterungsbau des Baseler Architekturbüros Christ & Gantenbein eröffnet. Von außen präsentiert er sich als zeitgemäße Reverenz an das bestehende Hauptgebäude, innen sind beide Trakte durch einen monumentalen unterirdischen Gang verbunden. Welche Möglichkeiten in dieser Expansion stecken, zeigt schon die raumgreifende Eröffnungsschau „Sculpture on the Move“, ein umfassender Blick auf die Entwicklung des künstlerischen Mediums Skulptur vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis heute. Zwei Werke, Alexander Calders „Big Spider“ und Rodins „Bürger von Calais“, wird man auch nach dem Ende dieser Sonderausstellung in aller Ruhe genießen können. Denn sie stehen im Innenhof des Hauptgebäudes, unmittelbar vor den Tischen und Stühlen des Museumsbistros, das mittags nicht nur von Ausstellungsbesuchern geschätzt wird und deshalb immer proppenvoll ist.

Warme Suppen im Barfüßerkloster

Als Ausweichmöglichkeit bietet sich auf der anderen Straßenseite im Antikenmuseum gleich die nächste Kunstpausen-Variante an: Eine intime Säulenhalle mit einer Reihe von Originalskulpturen und einem altgriechischen Mosaik wirkt wie das Innere eines antiken Tempels und dient als Café-Bar. Im Bistro nebenan hängen Fotos von antiken Gebäuden und Ausgrabungsstätten rund ums Mittelmeer. Fotografien, diesmal von Masken und rituellen Gegenständen aus Afrika und Asien, zieren die Wände im Restaurant Rollerhof, dem Bistro des Museums der Kulturen. Hier kann man sich aus den Zivilisationen der weiten Welt aber auch wieder in den Baseler Alltag zurückkatapultieren, denn das Lokal öffnet sich zum weitläufigen Münsterplatz hin. Typische Baseler Altstadtatmosphäre umgibt auch die Papiermühle, das Museum für Druck, Schrift und Papier in der romantischen St. Alban-Vorstadt unten am Rheinufer. Im angegliederten Café hört man einen rauschenden Bach und schaut auf das riesige Mühlrad, das sich behäbig dreht.

In der Kirche des ehemaligen Barfüßerklosters befindet sich das Museum der Geschichte, in dem Wechselausstellungen zur Geschichte Basels und der Schweiz zu sehen sind. Schon Ende des neunzehnten Jahrhunderts wurde die Kirche säkularisiert und dann bald als Museum genutzt. Eine Gastronomie gab es hier lange nicht. Jetzt aber hat sich zwischen den mächtigen Pfeilern, gotischen Bögen und Buntglasfenstern des Kirchenschiffs das „Bar Füßer“ eingerichtet. Warme Suppen, die freilich nicht mehr von Mönchen ausgegeben werden, sind die Spezialität des kleinen Bistros. Die dreißig ältesten und wertvollsten Brunnenfiguren der Stadt stehen im Original in Sichtweite, so dass man die wichtigsten der mehr als zweihundert Baseler Brunnen schon einmal in Ruhe und unabhängig von Wind und Wetter studieren kann. Wer es weniger sakral mag, wechselt ein paar Schritte weiter ins Café des Arts, ein Jugendstilcafé, das von Kunst, Kultur und Kino durchdrungen ist. Alte Kinosessel dienen als Sitzgelegenheiten, die Dekoration besteht aus Design-Fliesen am Boden, Skulpturen, Buntglasfenstern, Theaterplakaten, Grafiken, Fotos und Gemälden an den Wänden.

Blick auf den beliebtesten Brunnen der Stadt

Gleich um die Ecke steht mit der Kunsthalle eine weitere Baseler Institution, die seit 1872 konsequent nach vorn schaut und darauf bedacht ist, schon heute die Künstler von morgen zu entdecken. Im Archiv dokumentieren zwanzigtausend Fotografien, welche später berühmten Künstler hier schon frühzeitig ausstellen durften. Bereits 1913 waren Werke Picassos und der deutschen Expressionisten zu sehen. In den aktuellen Ausstellungen darf man spekulieren, welche Zukunft zeitgenössischen Künstlern wie Sam Lewitt oder Yngve Holen beschert sein mag. In merkwürdigem Kontrast dazu steht das Restaurant der Kunsthalle, das mit Kronleuchtern, holzgetäfelten Wänden und barocken Fresken eine schummrig bürgerliche Aura verbreitet. Hier könnte man Friedrich Dürrenmatt, Max Frisch oder den exilierten Thomas Mann an einem Tisch in der Ecke vermuten.

Wem das etwas zu konservativ verstaubt erscheint, der kann vom „braunen“ in den „weißen Saal“ wechseln, in dem Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts die Wände ziert. Im Sommer ist man am besten unter den Kastanien im Gastgarten aufgehoben, in dem auf der Rückwand der Kunsthalle die biederen Abbildungen der Musen Poesia, Musica und Pictura zu sehen sind, auf der anderen Seite jedoch der lebendigste und beliebteste Brunnen der Stadt plätschert. Jean Tinguely hat darin kinetische Figuren, rotierende Maschinen und Räderwerke als drehendes, schöpfendes, kurbelndes und sprühendes Wasserkunstwerk installiert.

Ein Labyrinth aus Theater und Kaffeehaus

Jeder, der Gefallen an dieser Kunstform findet, kann gleich weiterziehen ins Museum Tinguely am Kleinbaseler Rheinufer. Das vom Tessiner Architekten Mario Botta entworfene Gebäude beherbergt die weltweit größte Tinguely-Sammlung – von grafischen Musterblättern über filigrane Mobiles bis hin zu monumentalen Großmaschinen, die von Kindern und Erwachsenen ratternd und quietschend in Bewegung gesetzt werden dürfen. Hat man genug von dieser industriellen Museumsatmosphäre, lässt sich prächtig entspannen im Café Chez Jeannot, in dem Zeichnungen, Plakate und allerlei leuchtende und blinkende Installationen an Tinguely erinnern. Man kann aber auch einfach den Blick auf den Rhein genießen.

Der Abend und die Nacht gehören dem Teufelhof. Dort betritt man eine einzigartige Kombination aus Kunst, Kultur und Alltag, ein Labyrinth aus Theater und Kaffeehaus, archäologischem Museum und Weinkeller, innovativem Art Hotel und Gourmet-Restaurant. Im Kellergeschoss wurden die Überreste von zwei mittelalterlichen Stadtmauern freigelegt und die zahlreichen Fundstücke in Vitrinen ausgestellt. Der verwinkelte unterirdische Gang zwischen den rohen Steinmauern dient zugleich als originelles Ambiente für eine Bar und eine Vinothek.

Darüber wurden zwei Altstadthäuser mit Garten und Innenhof zusammengelegt, eine kleine Theaterbühne integriert und mit mehreren Gaststuben kombiniert. Es gibt Wandtafeln und Papierrollen, auf denen sich die Gäste künstlerisch versuchen können. Eine aparte Schlusspointe für den Ausflug zur Kunst in Basel sind die Hotelzimmer, jedes von einem anderen Künstler individuell gestaltet und in ein bewohnbares Gesamtkunstwerk umgewandelt. Als dessen lebendiger Bestandteil kann sich der Gast dann für die eine oder andere Nacht einnisten.

Quelle: Faz Reise vom 02.10.2016, Autor: Volker Mehnert

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